Motivation
Fränzi Kühne wurde in vielen Interviews zu ihrem Unternehmen TLGG (2008 gegründet mit Christoph Bornschein und Boontham Temaismithi) und zu ihrem Aufsichtsratmandat bei Freenet immer wieder mit Fragen konfrontiert, die ihrer Annahme nach vorrangig Frauen gestellt werden. Beispiele sind Fragen zum äußeren Erscheinungsbild, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und ihrer “Sonderrolle” als Frau in männerdominierten Branchen bzw. Positionen. In ihrem Buch stellt sie genau diese Fragen erfolgreichen Männern, um auf die einseitige, klischeehafte Wahrnehmung von Frauen in Führungspositionen in Interviews und Berichterstattung aufmerksam zu machen. Dabei interessiert sie auch, wie die Männer antworten, was sie bewegt und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es hierbei gibt.
Inhalt
Das Buch von Fränzi Kühne beginnt mit einer Erläuterung zum Hintergrund der Autorin und ihrer persönlichen Erfahrungen in verschiedenen Interview bzw. Berichterstattungssituationen. Auf dieser Basis erläutert Fränzi Kühne auch die oben genannte Motivation für das Buch.
Im zweiten Abschnitt fasst sie verschiedene von ihr geführte Interviews zusammen, stellt die interviewten Männer vor und verknüpft deren Antworten mit Anekdoten und Berichten aus ihrem eigenen Berufsleben. Das ist kurzweilig und interessant zu lesen, bringt aber aus meiner Sicht keine fundamental neuen Erkenntnisse. Die unterschiedlich geprägte Wahrnehmung von Männern und Frauen in Spitzenpositionen der Wirtschafts-, Kultur- und Kunstszene wird insbesondere über die Schilderungen der mit Fränzi Kühne selbst geführten Interviews deutlich. Sich die teilweise verzerrte Berichterstattung beim Medienkonsum bewusst zu machen, ist eine wichtige Erkenntnis für mich. Interessant waren teilweise auch die Reaktionen der ausnahmslos männlichen Interview Kandidaten (beispielsweise Heiko Maas, Frank Thelen, Bosse oder Gregor Gysi) auf die Fragen und die teilweise reflektierten und offenen Antworten.
Der letzte Abschnitt befasst sich mit der gesellschaftlichen Relevanz des Themas, der Situation von Frauen in Führungspositionen-/Spitzenpositionen in Deutschland und aktuellen Debatten wie beispielsweise zur Frauenquote in Vorständen börsennotierter Unternehmen.
Fazit: 3/5 Sterne
Das Buch von Fränzi Kühne bietet eine kurzweilige, teilweise überraschende und zum Nachdenken anregende Lektüre. Dabei wird Gender Bias in der Berichterstattung zu und Wahrnehmung von Managern, Politiker und Künstlern sehr anschaulich deutlich. Leider folgen hieraus zu wenig konkrete Lösungsvorschläge und Impulse, sowohl für gesellschaftliche Fragestellungen als auch für die persönliche Weiterentwicklung. Die Interpretation, der Transfer in praktische Situationen und der mögliche Umgang mit den im Buch aufgeworfenen Problemstellungen bleiben offen. Das ist schade und verspielt das große Potenzial, dass das Buch durch die packenden und sehr anschaulich aufwühlenden Beschreibungen eigentlich bietet.
Transfer
Medienkonsum:
Es ist wichtig, die eigene Wahrnehmung von Frauen und Männern in Führungspositionen auf Voreingenommenheit zu prüfen. Beurteilen wir Männer und Frauen anders, weil wir Anderes von Ihnen erwarten? Führt bereits die einseitig verzerrte Wahrnehmung der Journalisten dazu, dass wir völlig unterschiedlich fokussierte Informationen erhalten? Oder stellen Journalisten Frauen gezielt und bewusst andere Fragen, weil sie vorwegnehmen, dass ihre potentielle Leserschaft sich für andere Aspekte einer Karriere interessiert? Viel zu selten hinterfragen wir kritisch, welcher Ausschnitt von Informationen uns unbewusst oder gezielt dargestellt wird und wie sehr das unsere Einschätzungen zu diesen Personen aber auch zu dem was von Männern und Frauen im Allgemeinen und uns selbst im Spezifischen “erwartet” wird. Sind Ihnen neben den von Fränzi Kühne genannten Beispiele weitere Interviews bekannt, die verstärkt Fragen zum Aussehen, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder zur Eignung für gewählte Aufgaben/Rollen in den Vordergrund rücken?
Erwartung:
Unterscheiden sich unsere eigenen Erwartungen an Männer und Frauen? Stellen wir Ihnen die gleichen Fragen, beispielsweise in Vorstellungsgesprächen, in Assessment Centern, in strukturierten Assessment Interviews oder bei Coachings? Beurteilen wir ihre Handlungen unterschiedlich? Haben wir die gleichen Anforderungen an unsere männlichen und weiblichen Führungskräfte? Fragen wir auch männliche Kollegen, wie sie mit privaten und beruflichen Belastungen zurecht kommen und ob sie Unterstützung benötigen? Wie sieht es in unserem privaten Umfeld aus? Welche Frage(n) stellen Sie bisher eher weiblichen Bekannten?
Reaktion:
Wie reagieren wir in Situationen, in denen uns sehr einseitige Fragen gestellt werden? Wie würden Sie in einem Business-Interview die Frage nach dem heutigen Outfit oder zu Ihrer Eignung für die Position beantworten? Was würden Sie in solchen Situationen nach der Lektüre von Fränzi Buch (oder dieser Rezension) in Zukunft anders machen? Neben dem was wir von anderen erwarten, was wir sie fragen oder nicht fragen, sollten wir uns auch damit beschäftigen, welche Fragen wir uns selbst viel zu häufig oder viel zu selten stellen, weil wir denken, dass etwas von uns erwartet wird, weil wir unsicher sind oder weil uns Unterstützer und Vorbilder fehlen.
Lasst uns gern über die Kommentarfunktion an euren Gedanken zu diesen Fragen teilhaben.
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